Wahlfieber

In den USA wird gewählt und ich versuche dem keine Aufmerksamkeit zu schenken, immerhin ist schon viel los gerade: Ein Virus tobt sich weltweit fröhlich aus und demaskiert meine Vorstellung davon, dass ich emanzipiert in dieser Gesellschaft lebe.

Lieb gewonnene Freundinnen sind über Nacht Expertinnen für Virologie und Ansteckungswege geworden und wissen die wahren Expertinnen dieser Tage zu zitieren.

Und in meinem Briefkasten bietet K. Workshops an, die mir vermitteln sollen, wie die feinstoffliche Ernährung mit Licht (über extra eingesetzten Kanülen in meiner Wirbelsäule) funktioniert und ich dadurch endloses Glück empfinden werde. Vermutlich ist, wer tot ist, niemals mehr unglücklich.

Nun also auch noch die Wahl in den USA und ich schaue auf die Auszählungen und denke: Das kann doch nicht sein – so knapp? Und ich frage mich, was ist denn nur los? Was ist nur los mit dieser Welt und den Menschen?
Ich bin nicht sicher und auch nicht informiert, ob der Gegner vom (noch) Präsidenten Trump wirklich eine bessere Option für die ganze Welt ist, aber mir fehlt einfach die Vorstellungskraft, dass er es nicht ist.

Mir fehlte aber auch die Vorstellungskraft, dass Großbritannien die EU verlässt.

Und ja, mir fehlte auch die Vorstellung, dass ein Virus weltweit die Zentrifugalkräfte beschleunigt und die Gesellschaft schärfer durchschneidet als ein Katana und dabei die Masken der Emanzipation fallen lässt.

Das Wahlfieber hat mich gepackt, als die Wahllokale in den USA bereits geschlossen waren.

Vielleicht geht es am Ende doch anders aus, als ich es mir vorstellen kann.